Valuable insights
1.Behütete Kindheit im Kontext des Antisemitismus: Eva Fahidi wuchs in einer deutsch geprägten, behüteten jüdischen Familie in Ungarn auf, obwohl der lokale Antisemitismus bereits tief in der Gesellschaft verwurzelt war.
2.Ungarische Rolle bei der Deportation: Die Vernichtung der ungarischen Juden wurde zwar von Adolf Eichmann organisiert, jedoch führten ungarische Polizisten die Deportationen nach Auschwitz-Birkenau willig und enthusiastisch durch.
3.Die Tragödie der Selektion in Birkenau: Bei der Ankunft in Auschwitz trennte Josef Mengele Eva von ihrer Mutter, Tante und jüngerer Schwester, die direkt in die Gaskammern geschickt wurden, während Eva zur Arbeit selektiert wurde.
4.Zwangsarbeit und Überlebensstrategien: Im Außenlager Münchmühle bei Buchenwald litt Eva unter schwerer körperlicher Arbeit, doch die Möglichkeit zu arbeiten wurde als besser empfunden als das Warten auf den Tod in Auschwitz.
5.Sechs Jahrzehnte des Schweigens: Eva schwieg fast sechzig Jahre lang über ihre Erlebnisse im Holocaust, motiviert durch Scham über die erlittene Erniedrigung und den Wunsch, ihre Familie zu schonen.
6.Die schmerzhafte Rückkehr nach Hause: Nach der Befreiung stellte Eva fest, dass ihr Elternhaus in Debrecen besetzt war und niemand ihrer 49 Angehörigen den Holocaust überlebt hatte, eine Erkenntnis, die sie lange nicht verarbeiten konnte.
7.Späte Berufung zur Zeugin: Erst mit 78 Jahren begann Eva Fahidi, ihre Geschichte öffentlich zu teilen, angetrieben von der Überzeugung, dass die nachfolgenden Generationen keine Vorstellung von den damaligen Gräueltaten haben.
8.Botschaft: Nicht hassen, aber nicht verzeihen: Das Weiterleben erfordert Großzügigkeit und die bewusste Entscheidung, Hass zu vermeiden, obwohl die Vergebung für den Massenmord an der Familie als unmöglich erachtet wird.
Kindheit und das Klima des Hasses in Ungarn
Die Lebensgeschichte von Eva Fahidi, die im Jahr 2022 bereits 97 Jahre alt war, beginnt in einer behüteten Kindheit in Debrecen, im Osten Ungarns. Als ältere Tochter eines jüdischen Holzhändlers wuchs sie in einer Kultur auf, deren Familiensprache Deutsch war. Obwohl sie viel Liebe erfuhr, war der Antisemitismus in Ungarn bereits tief verwurzelt und wurde den Menschen quasi mit der Muttermilch vermittelt. Das Land, das nach dem Ersten Weltkrieg ein Königreich ohne König war, sah sich unter Miklós Horthy nationalkonservativen Tendenzen ausgesetzt, welche antijüdische Gesetze zuließen, lange bevor deutsche Truppen einmarschierten.
Antijüdische Gesetze vor dem Krieg
Bereits in den 1920er Jahren wurde Juden der Zugang zu Universitäten erschwert. Um ihre Töchter vor dieser Feindseligkeit zu schützen, konvertierte die Familie Fahidi Mitte der 1930er Jahre zum Katholizismus, und die Mädchen besuchten eine Klosterschule. Eva stand kurz vor dem Abschluss ihrer Matura und träumte davon, Pianistin zu werden, als Adolf Hitler den Entschluss fasste, Ungarn zu besetzen und Evas Welt zu zerstören.
Es gab immer Antisemitismus in Ungarn, das hat man mit der Muttermilch aufgesagt, ja, das war so tief in der Volksseele.
- Ungarn als Königreich ohne König unter Horthy.
- Zunehmende antijüdische Gesetze, die den Zugang zu Bildung einschränkten.
- Tiefe Verwurzelung des Antisemitismus in der allgemeinen Bevölkerung.
Deportation und die Selektion in Auschwitz
Der Auslöser für die Katastrophe war die militärische Lage Nazi-Deutschlands im Krieg. Als Hitler erfuhr, dass Ungarn die Seiten wechseln wollte, marschierte die Wehrmacht am 19. März 1944 ein, wodurch Ungarn faktisch zu einem deutschen Protektorat wurde. Unmittelbar darauf traf Adolf Eichmann ein, dessen Auftrag die Vernichtung der rund 800.000 Juden Ungarns war. Die ungarische Polizei agierte als willige Vollstrecker der SS, was die schnelle Umsetzung der Maßnahmen ermöglichte.
Die Eile der ungarischen Vollstrecker
Innerhalb weniger Wochen mussten alle ungarischen Juden den gelben Stern tragen und wurden in Ghettos zusammengetrieben, was den Verlust des großbürgerlichen Hauses in Debrecen für Evas Familie bedeutete. Ab Mitte Mai 1944 rollten täglich vier Züge mit je rund 3000 Menschen in Richtung Auschwitz-Birkenau. Innerhalb von 56 Tagen wurden mehr als 400.000 Menschen deportiert. Eva, ihre Schwester, Mutter und Vater wurden Ende Juni in einen Waggon gesperrt und nach dreitägiger Fahrt in glühender Hitze in Birkenau abgeladen.
Man zeigt Dir auf Deinen Rauch. Das ist so unrealistisch, man kann das nicht glauben.
Die größte Tragödie geschah, ohne dass Eva die Tragweite bemerkte; die anderen Familienmitglieder wurden direkt in die Gaskammer geschickt, während man den Verbliebenen versprach, dass die ganze Familie am Abend wieder zusammen sein würde. Erst nach der Befreiung ließ Eva die schreckliche Gewissheit an sich heran, dass die Nazis ihre gesamte Familie ermordet hatten. Schon damals lag der Geruch von verbranntem Menschenfleisch in der Luft, ein schrecklicher Geruch, der die Ahnung der Vernichtung vermittelte.
Zwangsarbeit und die Freundschaft im KZ
Eva wurde mit ihren vier Freundinnen, die sie in Auschwitz kennengelernt hatte, am 12. August 1944 einer Selektion durch Josef Mengele unterzogen. Die Frauen verließen Auschwitz gemeinsam und wurden in einem Viehwaggon Richtung Westen transportiert. Am nächsten Tag fuhr der Zug in das hessische Allendorf, ein Außenlager des KZ Buchenwald, die sogenannte Konzentrationslager Münchmühle. Dort mussten die Frauen aus Ungarn und der Slowakei hochgiftigen Sprengstoff für Granaten der Wehrmacht abfüllen.
Die körperlichen Strapazen der Arbeit
Eva war hauptsächlich für die Verpackung der Granaten eingeteilt. Sie musste 800 Mal pro Schicht, zu zweit, jeweils 50 kg schwere Lasten schleppen. Die Folgen dieser Schlepperei, die ihre Knochen stark schädigte, sollte sie ihr Leben lang begleiten und verhinderte ihren Traum, Pianistin zu werden, da sie nicht mehr richtig sitzen konnte. Trotz der Kälte, des Hungers und der Erniedrigungen empfand Eva das Leben in diesem Außenlager als um vieles besser als das Warten auf den Tod in Auschwitz, solange Arbeit vorhanden war.
- Die fünf Frauen teilten das wenige Essen und Wasser und gaben sich gegenseitig Mut.
- Eva war überzeugt, dass sie ohne die Unterstützung dieser Gruppe den Holocaust nicht überlebt hätte.
- Das gemeinsame Ziel war das schnelle Rauskommen aus Auschwitz, was durch die Selektion erreicht wurde.
Solange wir arbeiten können, weil wir die Kraft dazu haben, solange wird man uns vielleicht doch am Leben lassen.
Als die Alliierten im Westen und die Rote Armee im Osten vorrückten, verdichteten sich die Gerüchte über das baldige Kriegsende. Ende März 1945 wurden die Frauen von den Nazis Richtung Osten aus dem Lager getrieben. Plötzlich war niemand mehr zuständig, die Wachleute setzten sich ab, und die fast 1000 Zwangsarbeiterinnen zerstreuten sich in Deutschland. Eva verlor ihre Gefährtinnen, bis sie auf einer Wiese von amerikanischen Panzern aufgehalten wurden, die den Frauen Essen und Wasser verschafften.
Rückkehr, Verlust und das Schweigen
Nach der Befreiung im Frühling 1945 blieb Eva zunächst in Deutschland, um wieder zu Kräften zu kommen und die Listen der Überlebenden zu prüfen. Die Rückkehr nach Ungarn schob sie bis zum Herbst auf, da sie Angst hatte. Die Hoffnung, dass die Überlebenden nach Hause zurückkehren würden, erfüllte sich nicht. Am 4. November 1945 stand die zwanzigjährige Eva vor ihrem Elternhaus in Debrecen, das sie völlig vernachlässigt vorfand. Sie wusste sofort, dass niemand zurückgekehrt war.
Die Erkenntnis der totalen Isolation
Als Eva versuchte, das Haus zu betreten, wurde sie von einem Fremden abgewiesen, der erklärte, dort sei kein Platz mehr. In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie von ihrer Familie in Ungarn als Einzige überlebt hatte; 49 Angehörige wurden im ungarischen Holocaust ermordet. Besonders der Tod ihrer zehnjährigen Schwester beschäftigte sie noch mit über 90 Jahren. Trotzdem lernten Eva und ihre vier Auschwitz-Gefährtinnen, mit dem Unfassbaren weiterzuleben, heirateten und bekamen Kinder.
Ich habe es geduldet und das dauert eine lange Zeit, bis man das wieder zurückbauen kann.
- Zunächst lebte sie bei einem Onkel in der Slowakei, der als Partisan überlebt hatte.
- Sie heiratete einen kommunistischen Journalisten und engagierte sich in der Volksbildung.
- Nach der Scheidung arbeitete sie im staatlichen Außenhandel, wo ihre Sprachkenntnisse nützlich waren.
- Sie konnte keine eigenen Kinder bekommen, übernahm aber die Ersatzmutterrolle für die Teenager-Tochter ihrer besten Freundin.
Der späte Ruf zur Zeugenschaft und die Botschaft
Eva schwieg fast 60 Jahre lang über Auschwitz und Buchenwald. Dies lag nicht nur daran, dass dies im kommunistischen Ungarn nicht explizit erwünscht war, sondern vor allem daran, dass sie sich schämte. Wer traumatisiert ist, kann Jahrzehnte nicht darüber sprechen, da die Selbstschätzung verloren geht und die Erlebnisse unerträglich erscheinen. Erst im Jahr 2003, 59 Jahre nach der Deportation, hörte Eva auf zu schweigen, nachdem sie die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besuchte und empört über die mangelnde Aufmerksamkeit für die Geschichte war.
Die Konfrontation mit der Gedenkstätte
Eva empfand es als schmerzhaft, dass die Ruinen der Kremationsöfen, die engen Baracken und die Schuhe der Ermordeten inmitten großer Besuchermassen untergingen. Sie fühlte sich berufen, darüber zu reden, weil die Menschen keine Ahnung hätten, was dort geschehen sei. Mit 78 Jahren begann sie zu erzählen, schrieb zwei Bücher und trat in zahlreichen Schulen in Ungarn und Deutschland auf. Sie kreierte sogar eine autobiografische Tanzperformance mit einer jungen Tänzerin.
Besonders Sorgen bereitet Eva die aktuelle politische Lage in Ungarn, wo eine rechtsnationale Partei eine Büste von Horthy aufstellt, der den Holocaust zugelassen hat, und Regierungschef Viktor Orbán den jüdischen Finanzier George Soros als Sündenbock benutzt. Dies weckt Erinnerungen an den erlebten Hass. Dennoch hofft Eva, dass die Jugend durch ihre Zeugnisse davor bewahrt wird, einer Ideologie wie dem Nationalsozialismus zu verfallen. Sie betont, dass das Weiterleben Großzügigkeit und die Entscheidung, nicht zu hassen, erfordert.
Wenn ich jemanden nicht liebe, muss ich ihn nicht hassen. Das ist nicht dasselbe.
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